Geburtsbericht mitten im Lockdown im April 2020

Ihr Lieben, 

ich möchte euch gern an unseren Erfahrungen mit der Geburt von Vio im April teilhaben lassen. 

Der 4. Tag nach Entbindungstermin brach an. Es ist der Dienstag nach Ostermontag. Vor ein paar Tagen erkannte ich, dass ich aus der ersten Geburt ein Trauma hatte, welches ich Dank Corona in einem Zoom-Call mit Jutta Wohlrab lösen durfte. Das war verrückt. Ich hab 10 Minuten irgendetwas erzählt, von dem ich selbst nicht wusste, wie ich es sagen soll. Aber sie wusste sofort, was los war und ist in einer Meditation auf jeden Punkt eingegangen. Somit war der Knoten im Kopf schon mal gelöst. Zusätzlich habe ich ihr Buch gehört, was auch nochmal hilfreich war.

Ich durfte im März 19 auf dem wirfürdich-Event Kristin Graf von „Die friedliche Geburt“ kennenlernen. Aus ihrem Podcast hörte ich drei Folgen, in denen sie auch die Transformation ihrer traumatischen ersten beiden Geburten in eine schöne dritte Geburt beschrieb. Das hat mir extrem viel Mut gemacht. Außerdem könnte ich ihr stundenlang zuhören. Danke an dieser Stelle für das Weitergeben deiner Erfahrungen. Das wichtigste war für mich die Erkenntnis, dass wenn ich lebe - ich atme. Ich habe mich also auf den letzten Drücker auf diese Geburt vorbereitet.

Es kann sein, dass Frauen im Becken und Vaginalbereicht verspannte Punkte haben. Das tut dann weh und löste sich in meinem Fall auf, als sanft darauf gedrückt wurde und ich es dann veratmete. Ich empfand dies als Vorbereitung für die Geburt.

Es wurde also Nachmittag und ich hatte Angst, dass der Kleine es sich irgendwie doch anders überlegt und noch wie seine Schwester über 2 Wochen über ET bleibt und dann per Einleitung auf die Welt kommt. Also versuchten wir, die Geburt durch das Hormon Prostaglandin auszulösen. Das ist in Sperma drin. Also taten wir, was zu tun ist, damit dieses an meinem Muttermund ankommt. 18 Uhr merkte ich, dass ich sehr gern sehr allein auf die Toi wollte. Es kam alles in Schwung und ich wusste, dass es losgeht. Ich hab Vios Papa Bescheid gesagt, der Großen und ihrem Papa. Der war in 10 Minuten da und aufgeregter als wir. Der Großen hab ich noch ihre Hände auf meinen Bauch gelegt, damit sie ein bisschen Wellen mitbekommt und wenigstens etwas von dem Wunder der Geburt mitbekommt. Sie wäre gern dabei gewesen, aber bei wegen Corona sind keine weiteren Personen im Krankenhaus erlaubt.

Wir sind also mit unserem Koffer losgelaufen. Man kann nämlich statt der Kliniktasche einen Koffer packen. Hab ich mir bei der Anmeldung der Geburt bei den anderen werdenden Mamas abgeguckt. Wir sind also losgelaufen und 100 m weiter merkte ich, dass mir sehr kalt war. Ich hab mich zwischen den parkenden Autos in der Samariterstraße schnell umgezogen mit den Dingen, die der Koffer  hergab. Die Sonne war wunderschön Orange und war beim Untergehen. Ich bin immer ein paar Meter gelaufen, dann sind wir angehalten und haben die Wellen veratmet. Also ich. Zwischendurch begegnete mir noch eine Mama aus der Klasse der Großen, die uns noch viel Glück wünschte. Ich merkte beim Laufen, dass die Sache mit dem extrem tief durchatmen funktioniert. Ich hab mir vorgestellt, dass ich oben einatme und unten ein Loch ist (haha) durch das der eingeatmete Atem gleich weiter fließt, komplett durchhaut, sozusagen. Mein Atem ist stärker als alles andere. Mein damaliger Partner fragte, ob wir vielleicht doch ein Taxi nehmen sollten. Aber dann hätte ich mich nicht frei bewegen können. Und was sollten wir denn dann machen, wenn wir in der Klinik angekommen wären? Die schicken einen eh wieder spazieren. Proof of concept hatte ich an einer Ampel: Ich musste mich beeilen, um in der Grünphase auf den anderen Bürgersteig zu kommen. Somit war ich aus meiner Atmung raus und hatte bei der nächsten Welle massive Schmerzen. Ich fand das aber auch gut, weil ich wusste, dass mein Körper Recht hat. Wir waren dann nach 1,5 Stunden Stop & go in der Klinik. Und ja: Nach der Untersuchung hieß es: „Laufen Sie noch mal ne Runde und kommen Sie gegen 11 wieder.“ Da ich einen kleinen Blasenriss hatte, hätte ich nicht mehr nach Hause gedurft. Mein Partner hätte aber auch nicht da bleiben können. Es gab also nur eine Corona-Grauzone: Wir bleiben so lange wie möglich im Aufenthaltsraum und veratmen die Wellen, dann bekommen wir das Baby und dann gehen wir wieder. Das war mein Plan. Ich bin aber noch brav mit auf die Wöchnerinnenstation gegangen und haben meinen Koffer dort abgestellt.

Mein Partner hatte Pizza bestellt und irgendwann klingelte sein Handy, weil der Liefermensch nicht wusste, wo er klingeln soll. Ich musste ans Telefon, keine Ahnung warum, er hat irgendwas mit wem besprochen. Am Telefon hab ich auch nur vertröstet, dass der Mensch noch warten müsse, ich könnte grad nicht denken und wüsste auch nicht, wo er jetzt hin müsste, außer zum Kreißsaal. Die Pizza war groß und lecker.

Von 23 Uhr an waren die Wellen schon ziemlich stark, sodass ich auf dem Boden veratmet habe. Ich wusste, dass jede Welle eine Chance ist, mich mit meinen Energien zu verbinden und trotzdem in der Ruhe und im Vertrauen zu bleiben. Etwas strange war manchmal, dass die Anwesenden im Warteraum sich das Tönen anhören durften. Das war mir aber egal. Ich wäre da nicht allein rein gegangen. Gegen 0.45 hatte ich das Gefühl, dass ich definitiv in den Kreißsaal möchte, weil das Baby sonst im Warteraum auf die Welt kommt. An der Tür konnte ich nicht sprechen, weil ich mit Atmen beschäftigt war. Ich wurde dann in ein Vorbereitungszimmer zum Wehen schreiben gebracht.  Ich konnte/wollte mich nicht hinlegen. Also wurden die Wellen im Stehen geschrieben. Die Hebamme untersuchte noch meinen Muttermund in einer Wehe und meinte, dass dieser 4 cm auf sein. Na wunderschön. Das ganze Theater, ein Spaziergang vom Feinsten und 4 cm. Aber hey, besser als nichts, begrüßen wir die 4 cm und lächeln ihnen freundlich zu. Die Hebamme ging aus dem Zimmer und wollte einer Kollegin Bescheid geben. In diesem Moment platzte die Fruchtblase. Die Wellen nahmen um das 10-fache zu und ich dachte mir: Ok Baby, jetzt gehts ans Eingemachte. Haha. ATME!!!! Das hat echt geholfen. Also es ging natürlich überhaupt nicht, aber nicht zu vergleichen mit meiner ersten Geburt, bei der ich Sicher war, dass ich den Saal nicht lebend verlasse. Diese Sache mit dem Atem fasziniert mich bis heute und was das im Kopf macht. Ich atme, also bin ich, also lebe ich. Auch wenn der Schmerz meinem Hirn was anderes erzählen will. Überliste es. Programmiere es um. Ich hab es geschafft, diese rote „Ruf-Bändchen“ für die Hebamme zu ziehen. Die nächste heftige Welle kam und ich hab einfach alles, was mir sinnvoll erschien, auf den Boden geschmissen, damit ich mich darauf abstützen kann. Ein Stillkissen und ein Laken. Die Hebamme kam sofort und fand mich auf dem Boden im Vierfüßlerstand vor. Das war auch schon die Position, in die ich bei der ersten Geburt gern gegangen wäre, aber nicht durfte. Und es fühlte sich so gut an, einfach das tun zu dürfen und können, was der Körper wollte. Sie ließ meinen Partner holen. In der Pause (Klingt, als hätte ich jetzt 20 Minuten zum Kaffee trinken) hab ich mich ins Klo geschleppt, weil ich merkte, dass das Köpfchen sich Platz machen wollte und somit Stuhlabgang auslöste. Mir ging noch kurz durch den Kopf „Oh nee, seine erste Geburt und jetzt auch noch so ein Scheiß.“ Dazu folgt noch ein separater Kacki-Post. Ich wollte schnell wieder von der Toi weg, weil das Kind nicht dort auf die Welt kommen sollte. Ich schleppte mich wieder 2 Meter zu meinem Stillkissen. Die Hebamme hatte mittlerweile den Boden mit Matten und Tüchern ausgelegt und mein Partner war auch da. Die Hebamme empfahl, dass er sich auf einen Hocker setzt und ich die Arme um ihn herum lege, sodass er mein Steißbein massieren kann. Und da war sie auch schon, die erste Presswehe. Moment. 4 cm. Ok. Kopf aus, mein Körper will mit 4 cm ein Kind bekommen, also bekomme ich jetzt mit 4 cm ein Kind. Ich kann das nämlich. Bei der zweiten Presswehe habe ich das Köpfchen gespürt und ich hatte das Gefühl, als würde er sich mit den Beinen abstoßen. Bei der nächsten Welle wurde das Köpfchen geboren und die Hebamme meinte, dass ich das Baby bei der nächsten Welle in Empfang nehmen dürfte. Das war mir zu viel und ich hab ihr gesagt, dass ich mich auf die Welle konzentrieren will und sie das machen soll. So von nichts dürfen beim letzten Mal Kind bekommen auf Kind in Empfang nehmen - der Sprung war mir irgendwie doch zu viel. Und ich war auch mächtig stolz, dass ich mich getraut habe, zu sagen, dass ich das nicht möchte. Ich hatte auch Angst, dass mir das glitschige Baby durch die Hände rutscht. Nee.

Bei der nächsten Welle war der Kleine da. Die Hebamme legte ihn vor mich auf den Boden. Ja. Und gefühlt verging ein Jahr, bis ich gerafft habe, dass ich das Baby jetzt aufheben darf. Also mein Baby, und das darf ich alleine hochnehmen und zu mir nehmen. Wow. Das hab ich mir immer gewünscht. So ein kleines Süßes, ganz nackig und noch voller Käseschmiere. Ich hoffe, er hat jetzt kein Trauma, dass ich ihn nicht sofort hochgenommen habe. Ich hab immer noch keine Ahnung, wie lange er so da lag. Ich habe ihn dann genommen und mit ist bewusst geworden, dass und noch die Nabelschnur verbindet. Wie lang ist die Schnur jetzt? Wenn ich mich bewege, tue ich dem Baby dann weh? Tue ich mir weh? Ist diese Schnur dehnbar? Mein Partner hat die Nabelschnur durchgeschnitten und danach habe ich mich auf die Liege gelegt. Oder umgedreht? Ich weiß nicht mehr. Diese Schnur hat mich auf jeden Fall mächtig verwirrt. Irgendwie schade, weil sie ist ja die Verbindung und ich weiß so wenig darüber. Viel altes Wissen oder Nähe und Verbundenheit zu dem Theme ist offenbar verloren gegangen. Der Kleine hat geguckt und hat sofort an der Brust getrunken und viel geschaut. Das war faszinierend, als würde er schauen, wo er gelandet ist. Er hatte sowas dankbares in seinem Blick. Die Plazenta dufte noch geboren werden. Ich hatte kurz etwas Angst, weil sie sich bei der ersten Geburt nicht gelöst hatte und ich in den OP musste. Ich hab mich aber wieder schnell entspannt und bin wieder ins Vertrauen gegangen. Dazu kam die Ärztin mit einem Schuss Oxytocin. Ich hätte es gerne ohne probiert, aber war mir dann irgendwie auch egal. Dies hat jedenfalls mächtig gekribbelt und hat sich im Kopf komisch angefühlt. Ich hab bei der ersten Geburt einiges davon bekommen und hab gar nichts gespürt. Krass, wie unterschiedlich sich eine Geburt anfühlen kann. Die Plazenta wurde geboren und es fühlte irre an, weil sie doch so viel war. Also deutlich spürbar. Spannend. Ich hab sie nicht mitgenommen und habe ihr im Wochenbett hinterher getrauert. Ich hätte mich gern irgendwie würdevoller verabschiedet. Immerhin hat sie 9 Monate mein Baby versorgt. Ich denke, dass ich bei meinem nächsten Kind dazu ein Ritual machen möchte.

Die Hebamme ließ uns dann allein und wir machten es uns auf der Liege zu dritt bequem und kuschelten. Der Kleine kam 1.25 Uhr auf die Welt und wir waren bis 7 Uhr auf der Liege, aßen noch etwas von der Pizza und lernten uns kennen. 

Wir sind nach der Untersuchung durch die Kinderärztin mit dem Taxi nach Hause gefahren. Dort angekommen, trafen 10 Minuten später die Große und ihr Papa wieder ein. Sie bekam ihren frisch geschlüpften Bruder in den Arm und kuschelte sich mit ihm ins Bett. Er schlief sofort bei ihr ein. Es war wundervoll, die beiden zu beobachten. Mehr Kontaktpersonen gab es erstmal nicht. Es war auf jeden Fall entspannt, in Ruhe gemeinsam anzukommen und nicht viel Besuch zu bekommen.

Vielen Dank fürs Lesen, 

Alles Liebe, 

Silke


2 Kommentare


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